Der sichere Weg in den raschen Konkurs

Letzte Woche habe ich einen Wirtschaftsblatt-Artikel über das neue Buch von Svenja Hofert gelesen. Darin schreibt die deutsche Karriereberaterin und Autorin: „Vergessen Sie alles, was Sie übers Gründen gelernt haben und legen Sie einfach mal los.“

Schon nach der Headline hatte ich als Betriebswirt ein etwas mulmiges Gefühl, welches leider im Fortlauf des Artikels ständig zunahm. Das sind tatsächlich die ernst gemeinten Ratschläge für Unternehmensgründer einer Expertin?

  • Es braucht weder einen Businessplan noch eine betriebswirtschaftliche Ausbildung.
  • Erst einmal anfangen zu arbeiten und dann einen Plan ausarbeiten.
  • Denken Sie nur so weit, wie Sie können.

Ich befürchte, all zu viele erfolgreiche Entrepreneure dürfte die gute Dame so noch nicht gecoacht haben. Ich habe zu diesem Thema bereits einiges publiziert und im Laufe der Jahre hunderte Bilanzen von grossen und kleineren Firmen analysieren müssen dürfen. Aus manchen dieser Bilanzen kann man leider genau die in dem Artikel angeführte Naivität herauslesen.

Das Business ist in jeder Branche mittlerweile knallhart – der von Frau Hofert als irreleveant angesprochene Faktor Zeit ist mit Sicherheit einer der kritischen Erfolgsfaktoren. Nicht umsonst ist das alte Sprichwort „Nicht der Große frisst den Kleinen, sondern der Schnelle den Langsamen“ valider denn je. (Tipp für die nächste Runde Trivial Pursuit: Dieses Bonmot stammt übrigens von Heinz Peter Halek)

Jetzt könnte man es sich leicht machen, und Unternehmer(innen), welche in ihrer Vita schriftlich zu Protokoll geben „zur Not schaue ich auch in Steuergesetze“ grundsätzlich die betriebswirtschaftliche Kompetenz absprechen. Das wäre allerdings unfair, daher ein paar Anregungen aus der Praxis für das nächstes Buch von Kollegin Hofert – in diesem Fall Tantiemen-frei.

  1. Lassen wir mal die wenigen Glücklichen beiseite, die über eine ausreichende Eigenkapitaldecke infolge vermögender Eltern, Lottogewinne oder vergangener Ruhmestaten verfügen. Der überwiegende Rest muss für den Projektstart Geld auftreiben – sei es nun Eigenkapital (Private Equity) oder Fremdkapital (in der Regel von Banken). Jeder, der so wie ich in einer Investmentbank gearbeitet hat, lernt am ersten Arbeitstag folgendes, supergeheimes Geheimnis: „Banken geben Regenschirme aus. Allerdings nur bei strahlendem Sonnenschein. Niemals bei Regen. Und schon gar nicht bei aufziehendem Unwetter!“ Für eine solide und ausreichende Finanzierung ist es also von essentieller Wichtigkeit zu wissen, wann ich wieviel Geld benötigen werde. Nur so habe ich realistische Chancen, in einer entspannten Verhandlungsposition Kapital zu generieren. Den esoterischen Ansatz von manchen Buchautoren in allen Ehren – das geht leider nur mit einem gut durchdachten Businessplan. Oder mit einer wirklich gut funktionierenden Kristallkugel einer Wahrsagerin.
  2. Die in Österreich mit Abstand aktivsten Konkursbetreiber sind nicht etwa Banken oder Lieferanten – die werden sich nämlich dreimal überlegen, zum Handelsgericht zu wandern. Nein, es sind die Gebietskrankenkassen wegen ausstehender Dienstgeberbeiträge. Mangelnde Liquidität hat schon so manchen Firmen mit guten Produkten und guten Ideen das Genick gebrochen. Und für eine Liquiditätsvorschau braucht man ein gutes Zahlenverständnis und eine zeitnahe Zahlenbasis. Für ein sinnvolles Finanzcontrolling reicht es bedauerlicherweise nicht aus, einmal im Monat den Karton mit den ungeordneten Belegen zum Steuerberater zu schicken. Auch dieses Problem löse ich nicht mit positiver Energie alleine – die oben angesprochenen Kristallkugel würde natürlich auch da helfen.
  3. Ohne einer mittel- und langfristigen Strategie führe ich mein Unternehmen nach dem Motto „Ich hab keine Ahnung wohin, aber ich bin schnell dort.“ Speziell, wenn sich dann mal die Gretchenfrage nach einem Exit stellt (Unternehmensverkauf, Beteiligung, etc), muss man für eine fundierte Beurteilung der Situation ein Zahlengerüst vor sich haben.
  4. Ohne Skalierbarkeit macht ein Unternehmen kommerziell nur halb so viel Freude. In vielen Branchen gibt es massive sprungfixe Kosten, die den Gründer sehr rasch in eine ungewollten Liquiditätsengpass bringen können. Ohne Businessplan, der diese Korelationen genau aufzeigt, wird es nun wirklich langsam Zeit für die erwähnte Kristallkugel.

Hunderter

Der geneigte Leser sieht also: Motivation, Freude und gute Idee eines Gründers sind zweifellos extrem wichtig – ohne betriebswirtschaftliches Rüstzeug wird er aber mit hoher Wahrscheinlichkeit auf der Strecke bleiben. Ich wünsche Frau Hofert weiterhin viele Menschen, die brav ihre Bücher kaufen. Und diesen Käufern empfehle ich, von den vielleicht philosophisch wertvollen Ratschläge nur Wenige zu befolgen. Business ist kein Ponyhof 😉

3 Antworten

  1. Danke für den Beitrag. Jedoch empfehle ich, erst einmal das Buch zu lesen, bevor Sie etwas auf der Basis eines Artikels schreiben, der Ausschnitte zeigt und nicht mal von mir selbst stammt. Es ist nicht sehr professionell, sich auf der Basis von Sekundärquellen zu äußer.
    Denn: Im Buch steht nichts davon, dass ein Business Plan überflüssig ist. Es steht nur drin, dass bei Wissensgründungen die Reihenfolge bei der Planung eine andere sein muss: Erst Praxis- dann Business-Planen, nenne ich das. Ich beschäftige mich ganz explizit mit Gründungen auf dem quartären Sektor und der Wissensgründung als neue Form.
    freundliche Grüße Svenja Hofert

  2. Ich freue mich über die Kontaktaufnahme Frau Hofert – nehme das Angebot mit dem Buch dankend an.

    Bleibe aber bei meiner geäusserten Kritik: Eine erfolgreiche Unternehmensgründung ohne fundierte Zahlenbetrachtung ist schwierig bis unmöglich. Eine Empfehlung, das durchaus „einfach mal drauf los, dem Gefühl nach“ zu probieren, fast schon grob fahrlässig.

    Bei einer Kapitalgesellschaft hätte hier das HGB eine ganze Reihe von passenden Paragraphen für den Geschäftsführer vorgesehen, der auf diese Weise eine Firma in die Insolvenz führt. Und so groß mein Respekt vor ihrem Werk auch ist – ich bezweifle, dass diese Thesen einen Konkursrichter beeindrucken würden. Im worst-case geht es immer um Zahlen, Daten, Fakten.

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