Google macht Urlaub – der Gigant steigt in den Buchungsmarkt ein

Ende Jänner 2011 ging in Innsbruck die diesjährige ENTER über die Bühne, eine internationale Konferenz zu eTourism und digitaler Kommunikation. Normalerweise eher dem rein akademischen Fachpublikum ein Begriff, punktete die Veranstaltung heuer erstmalig mit dem 1. Austrian eTourism Day. Die Frage, warum für eine rein deutschsprachige Veranstaltung ein englischer Titel gewählt werden musste blieb zwar unbeantwortet, dafür waren so gut wie alle internetaffinen Onlinetouristiker Österreichs anwesend, beziehungsweise via Stream & Twitter so gut wie live dabei. Zum Nachlesen und -schauen hat Günter Exel dankenswerterweise eine feine Multimediareportage bereitgestellt.

Die diskutierten Fragen mögen manch Unbeteiligtem vielleicht innovativ und neu vorgekommen sein – die Gretchenfrage „Wer verfügt denn eigentlich über die Preishoheit?“ wurde allerdings bereits 2005 bei ebenselber Veranstaltung gestellt. Hier scheiden sich naturgemäß die Geister:

Thomas Reisenzahn (Geschäftsführer der Österreichische Hoteliervereinigung) vertritt die Meinung seines Klientel: Der Hotelier muss seinen eigenen Zimmerpreis bestimmen können. Nun wurde aber der Hotelerie seit Beginn des Internetzeitalters erklärt, Marketing/Sales sei wohl besser an Spezialisten auszulagern – diese Aufgabe wurde teils gerne, teil widerstrebend von Tourismusverbänden und artähnlichen Dienstleistern kostenlos erbracht. Ein Kostenbewusstsein für diesen immens wichtigen Unternehmensteil fehlt daher in der Regel vollkommen. Während in anderen Branchen in jedem Businessplan zwischen 30% und 50% des Umsatzes für Werbung, Marketing und Vertrieb verplant sind, sehen sich viele Vermieter mit 10% Buchungsprovision heillos überfordert.

Gregor Kadanka (Geschäftsführer Mondial) kauft als Veranstalter Nettopreise ein und verkauft nach seinem Gutdünken zu marktfähigen Preisen in selbst geschnürten Bundles.

Bei der Podiumsdiskussion zwar durch Abwesenheit geglänzt, aber trotzdem nicht mehr wegzudenken: Intermediäre landläufig auch gerne Buchungsportale genannt.

Das ewige Spannungsfeld zwischen dem touristischen „Produzent“ und „Vertrieb“ offenbart sich in seiner ganzen Härte, wenn man Angebote namhafter Veranstalter wie „eine Woche Tirol im 4* Hotel mit Halbpension um 99EUR“ im zufällig ausgewähltem Supermarkt nachrechnet – jede vernünftige Grenzkostenrechnung wird hier lauthals Alarm, Stop, Retour schreien. Insiderberichten zufolge kauft Eurotours, laut Eigendefinition immerhin die größte Incoming Agentur Zentraleuropas, das Hotelzimmer in Tirol in der Hochsaison um schlappe 11EUR pro Person ein.

Von beiden geschätzten Kollegen leider vergessen wurde der wichtigste Player in der touristischen Wertschöpfungskette: der Gast.

In Wahrheit ist der mündige Konsument schon längst zum wahren Preisgestalter der Reisebranche mutiert. Mit Versteigerungsmodellen á la eBay hat es begonnen, Preisvergleiche, Bewertungsportale und Metasuchmaschinen wie Trivago, Kelkoo und Andere waren die logische Folge.

Gemunkelt wurde darüber schon länger, gestern ist es dann wie ein Paukenschlag durch die touristische Landschaft gegeistert: Google steigt selbst in das Tourismusmarketing ein, und bietet dem Suchenden ab sofort via  Google Places und Maps die Möglichkeit, direkt ein Hotel zu buchen. Spannend aus meiner Sicht vor allem die kommerzielle Gefahr der Kannibalisierung des mehr als einträglichen Adwordsgeschäfts – der Tourismus war bisher eine der lukrativsten Branchen für Google.

Zwischen 75% und 90% aller Besucher der größeren europäischen Buchungsportale kommen über Google – in den internationalen Konzernzentralen dürfte also einiges an Hirnschmalz gefordert sein, um dieser Herausforderung gewachsen zu sein. Buchungsportale, die heute noch dem Breakeven nachlaufen (müssen), wird wohl die Zeit schneller ausgehen, als ihnen lieb ist.

Meine Thesen dazu:

  1. Suchmaschinenoptimierung für touristische Major Keywords wird in Zukunft sehr, sehr schwierig werden. Google wird mittelfristig so gut wie die gesamte erste SERP des organischen Ergebnisses für seine eigenen Produkte blockieren.
  2. Resultierend daraus wird der Longtail noch mehr an Bedeutung gewinnen, da bei eher trafficschwachen Keywordkombinationen nach wie vor Topplatzierungen machbar sein werden. zB „Hochsteiermark Almhütten mieten“
  3. Momentan kaum vorstellbar: Tourismusorganisationen werden sich in Punkto SEO zukünftig nicht mehr alleine auf ihre teuer erarbeiteten Markennamen verlassen können. Google wird sehr rasch dahinterkommen, dass genau bei diesen Regions- und Destinationsnamen die buchbaren Angebote von Places optimal passen und so selbst öffentliche Landestourismusverbände auf die zweite Seite im Suchergebnis schicken.
  4. Wer glaubt, das 2,80 € pro Klick bereits ein exorbitanter Preis für Google Adwords sei, wird eines Besseren belehrt werden: der Preis wird weiter rasant steigen. Milchmädchenrechnung: Je schwieriger SEO für bestimmte Suchbegriffe, desto teurer SEM.
  5. Eine neue Dienstleistungsbranche wird entstehen: Wie trickse ich das System aus und platziere mein Hotel vor allen anderen in Places? Das neu eingeführte Modell bietet einige relativ leicht nutzbare Angriffspunkte für Missbrauch. Diese Lücken wir Google dann aber genauso schnell wieder schließen.
  6. Viele der österreichischen Vermieter, vor allem familiär geführte Privatzimmer und Ferienwohnungen,  werden davon wenig mitbekommen. Der Eintritt von Google in den Buchungsmarkt stellt für diese Gruppe jedoch kein Problem dar, denn sie ist ohne nicht online buchbar. Hab ich ein Problem, wenn ich ein Problem habe, es aber nicht weiß?
  7. Falls noch nicht erfolgt, würde ich mir ein Aktieninvestment in trustinternational.com überlegen 😉

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