Österreichs wahrscheinlich erster politischer Entrepreneur

Pragmatisch betrachtet, unterscheidet sich politische Wahlwerbung eigentlich nur unwesentlich von herkömmlichen Marketingstrategien für Produkte/Services. Ausreichend verfügbares (Steuer)geld vorausgesetzt, sollte eine breite Durchdringung ja nicht allzu schwer sein – aber wie funktioniert das mit überschaubaren und privaten Geldmitteln?

Grund genug für uns, einmal beim Gründer der neuen Partei NEOS genauer nachzufragen. In Zeiten von Untersuchungsausschüssen ganz ungewohnt: Matthias Strolz hat sich kein einziges Mal der Aussage entschlagen!

Kampagnenziele

Anders als zB bei den Piraten wurde vor dem Eintritt in den Wahlkampf fast zwölf Monate an Inhalten und Programm gefeilt. Dies geschah zu Beginn in Form von Kleinworkshops und später in sechs mehrtätigen Klausuren mit 40-100 Teilnehmern. Infos zu den politischen Inhalten von NEOS findet man auf

Die neue Gruppierung will bei der kommenden Nationalratswahl 2013 mindestens 10% holen. Wenn wir von der Größenordnung des letzten Wahlgangs am 28.09.2008 ausgehen, wären das also schlappe 480.000 Menschen, die Matthias hier überzeugen will. Der genaue Wahltermin steht zwar noch nicht fest – mehr als ein Jahr hat er aber dafür sicher keine Zeit.

Kampagnenbudget

NEOS hat bisher knapp 70.000 EUR aus den eigenen Reihen und von Sympathisanten gesammelt, bis Jahresende sind noch weitere 30.000 EUR geplant. Zudem wird viel mit Sachsponsoring und pro-bono-Dienstleistungen gearbeitet (z.B. Kommunikationsstrategie, Website-Erstellung, Raumbereitstellung). Im Wahlkampfjahr 2013 will die Jungpartei mindestens 1Mio EUR aufstellen.

Sicheres Geld im Voraus gibt es für wahlwerbende Parteien in Österreich ja nur in Form der Sockelförderung (1,2Mio EUR), die es allerdings ausschließlich für Parlamentsklubs gibt. Ebenfalls abhängig vom Klubstatus ist der Zuschuss für eine Parteiakademie (weitere 1,05Mio EUR). Die Wahlkostenrückerstattung wurde ja diesen Sommer gestrichen, dafür gibt es für alle, die mehr als 1% schaffen, eine Parteienförderung im Nachhinein.

Keine besonders guten Karten für Startups – wir fassen also in Branchenschönsprech zusammen: 

  • Generierungskosten pro Kunden dürfen 21c nicht übersteigen.
  • Kampagnenunabhängige Fixkosten muss man da aber leider auch nicht irgendwie unterbringen.  
  • Zeitraum: 11 Monate.

Höflich ausgedrückt: ambitioniert und mutig 😉

Kampagnenfinanzierung

Wenn man keinen reichen Onkel aus Kanada hat, muss man wohl improvisieren. Matthias hat sich hier gleich mehrerer cleveren Ideen bedient, um private Investoren für seine Idee zu finden:

  • Crowdfunding via respekt.net
  • Ganz im Stil von Grassroot wird es auch die aus dem US-Wahlkampf bekannten Donate-here-Buttons bei allen elektronischen Aktivitäten geben.
  • Tupperware goes Politik. Die Unterstützer von NEOS organisieren private Spendenpartys quer durchs Land.
  • Klingelbeutel auf allen Veranstaltungen.

Marketingstrategie

Manchmal muss man aus der Not eine Tugend machen. Eine Inseratenflut in Printmedien und auf Plakatwänden, wie wir es von etablierten Parteien kennen, wird es naturgemäß nicht geben.

NEOS wird daher vor allem auf virale Verbreitung über soziale Netzwerke setzen. Jaaaa, das wollen alle Parteien sehr gerne – die bisherigen Ergebnisse verschiedenster Gruppierungen sind uns allen noch gut im Gedächtnis.

Matthias will solche Schlappen nicht wiederholen und nützt daher aktuell bereits über 350 Promotoren, den sogenannten NEOS-Freundeskreis. Dieser soll bis Frühsommer 2013 auf mindestens 1.200 Leute anwachsen. Das sind Menschen mit hoher Social-Media-Affinität und gutem Vernetzungsgrad, die seine politischen Inhalte und Werte gut finden. Gerade bei Wahlkämpfen im SocialWeb sind solche Multiplikatoren und Defender extrem erfolgskritisch.

Michael Horak wird sich in Vollzeit um die Kanäle Facebook und Twitter kümmern.

Die primären Zielgruppen sind neben den üblichen Verdächtigen (Unzufriedene, Protestwähler, Politikfrustrierte) vor allem urbanes Publikum aus dem liberalen/bürgerlichen Lager.

Fazit Ohne die inhaltliche Ausrichtung der Partei beurteilen zu wollen – rein marketingtechnisch ist das Projekt NEOS ein sicherlich spannendes. Das Marktumfeld ist zwar aufgrund der Lethargie der etablierten Parteien zwar grundsätzlich nicht schlecht. Der beinahe zeitgleiche Auftritt von Stronach mit fast unbegrenztem Budget und beliebiger Sendezeit im öffentlichen TV beeinflusst aber sicherlich die Erfolgschancen einer weiteren neuen wahlwerbenden Partei, selbst wenn ihr Marketingkonzept durchaus als machbar einzustufen ist. In einem Jahr wissen wir mehr *g*

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