Wie versenke ich einen Marktführer in nur 10 Tagen?

Der Topunternehmer Maxi Mustermann hat expandiert. Am schnellsten geht so was bekanntlich, in dem er einen Marktführer kauft.

Gestern hat er dann zufällig einen der Rechtsanwälte getroffen, dessen Kanzlei die Übernahme abgeschlossen hat. Schickes neues Auto hat der: einen nagelneuen Lamborghini Gallardo LP 550-2. Das erinnert ihn gleich an den Steuerberater, der die Due Diligence seiner Transaktion durchgeführt hat. Dieser freut sich über eine neue Tennishalle in seiner schmucken und dezenten Villa am Stadtrand.

Nun fragt sich Eigentümer Maxi Mustermann nicht ganz unberechtigt, warum für ihn selbst diese Übernahme außer Problemen nichts gebracht hat? Er hat die besten Consulter und Spezialisten engagiert – alle haben von Synergienutzen, sicheren Erfolgsfaktoren und freiliegenden Umsatzpotentialen geschwärmt. Warum ist denn 1+1 eigentlich nicht 3, wie es von den ganzen Experten angekündigt war?

Unternehmen werden weltweit ständig verkauft, fusioniert und übernommen – im Fachjargon Mergers & Aquisitions oder kurz M&A genannt. Die Gründe für Unternehmensakquisitionen sind vereinfacht gesagt, betriebswirtschaftlicher oder strategischer/politischer Natur. Wenn man die unübersichtlichere zweite Gruppe einmal ignoriert, geht es im Wesentlichen um die viel beschworenen Synergieeffekte. Nach der Übernahme wollen wir Kosten einsparen und gleichzeitig die Umsätze mehr als nur akkumulieren.

Warum das aus der Sicht des Käufers oft nicht nach Wunsch funktioniert, möchte ich heute frei nach dem Kinoklassiker mit Kate Hudson zusammenfassen. Ich durfte ja während meiner langjährigen Tätigkeit bei einer österreichischen Großbank einige solcher Transaktionen hautnah und ungeschminkt miterleben.

Im akademischen Rennenglisch nennen wir das Post-Merger Integration. Für den Käufer birgt eine solche Akquisition trotz eingehender und gewissenhafter Prüfung nämlich manchmal Risiken, die in den Dokumenten und Analysen der Investmentbanken übersehen oder ausgelassen werden. So kann ganz rasch aus einem bisherigen Marktführer ein Sorgenkind werden. Als inoffizielle Faustregel muss eines gleich vorweg festgehalten werden: Über garantierten Verdienst dürfen sich bei einer M&A Transaktion ausschließlich folgende Zeitgenossen freuen: Rechtsanwälte, Notare, Consulter, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer.

Hier nun die 5 wichtigsten Alarmsignale, an denen Du erkennst, warum deine Firmenübernahme nur jede Menge Kosten, aber keine Gewinne verursacht hat.

  1. Human Capital

Selbst gut bezahlte Bilanzanalysten vergessen oft in der Hitze des Gefechtes, dass die wahren Assets nicht nur in der Aktiva und Passiva, sondern vor allem in der Gewinn-und Verlustrechnung zu finden sind – und zwar im Personalaufwand. Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat den Begriff Humankapital zwar zum Unwort des Jahres 2004 gewählt – trotzdem ist mittlerweile der Einfluss der Mitarbeiter auf den Gesamterfolg einen Unternehmens selbst bei Ökonomieverweigerern unumstritten.

Und hier liegt schon der Majoritätsfehler vieler Übernahmen: Die Mitarbeiter der gekauften Firma werden nicht oder zu spät ins Boot geholt. Wertvolles Knowhow geht somit verloren oder wandert gar zu Mitbewerbern ab – ab 20% Personalfluktuation pro Jahr kann es kritisch werden. So wichtig auch strategische Ziele sind, das operative Tagesgeschäft bildet das kommerzielle Rückgrat jedes Unternehmens.

Bestehende Zielvereinbarungen mit Mitarbeitern müssen rasch angepasst werden – geänderte strategische Ziele müssen auch in die individuellen Einzelziele durchschlagen. Vorsicht bei quantifizierbaren, bilanzbezogenen Ergebnissen – siehe Punkt 5.

Phrasen, die man in der gekauften Firma tunlichst vermeiden sollte: „Lieber Mitarbeiter. Jetzt ziehen wir mal die Fusion durch und dann in 2-3 Jahren schauen wir uns in aller Ruhe ihre bisherigen Zielvereinbarungen an. Der variable Gehaltsbestandteil ruht solange, wir haben ja alle momentan Wichtigeres zu tun, gell?“

Alarmsignal: Das mittlere Management verlässt kurz nach der Transaktion geschlossen die Firma.

  • Unternehmenskultur

Als besonders gefährlich ist die anfängliche Kluft zwischen „Alten“ (Mitarbeitern des Verkäufers) und „Neuen“ (Personal des Käufers) einzustufen. Grund hierfür ist natürlich die Angst um den eigenen Job: Man kann sich ja schließlich ausmalen, dass es in Zukunft nicht zwei stellvertretende Oberkaffeemaschinenbefüller geben wird, sondern nur mehr einen.

Auch unterschiedliche freiwillige Sozialleistungen und Entlohnungsschemata sorgen oft für Unruhe und Streitereien. Kleiner Tipp für die damit meist überforderte Chefetage: Die Menschen sprechen schneller über ihre Gehälter, als ihr eure Powerpointpräsentationen aufklappen können. Und die eingesparten Kosten, weil es Mineralwasser nun nicht mehr kostenlos gibt steht in keiner Relation zur damit erzeugten Unzufriedenheit.

Phrasen, die man in der gekauften Firma tunlichst vermeiden sollte: „Lieber Mitarbeiter. Bis jetzt hattet ihr alle ein Lotterleben hier. Ärmel aufkrempeln – ab heute wird endlich mal richtig gearbeitet.“

Alarmsignal: Plötzlich wird ein Betriebsrat etabliert und auf jedem Windows-Desktop liegt eine Datei „Ihr Recht zum richtigen Gehalt“ eines berüchtigten Monatsmagazins.

  • Marktpositionierung und Markenglaubwürdigkeit

Jahrelang hat die Marketingabteilung getrommelt „Unsere Produkte sind alle hellrosa, weil hellrosa die absolut wichtigste Eigenschaft ist.“ Nun ist unsere gesamte Werbelinie auf „Ohne Dunkeln kein Munkeln“ aufgebaut.

Kalauer beiseite – eine grundlegende Repositionierung ist immer schwierig. Konsumenten sind schwer von eingelernten Verhaltensmustern abzubringen. Um Marken neu aufzuladen, muss manchmal Geld in die Hand genommen werden, oft sogar richtig viel Geld. Virales und soziales Marketing kann hier wichtige Unterstützungsarbeit leisten – ganz ohne verfügbares Budget wird der Kommunikationsauftrag aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit floppen. Um diese Probleme möglichst elegant zu umschiffen, wählen einige den Ansatz einer dualen Markenstrategie.

Alarmsignal: Ein Mitarbeiter von Mars, Inc. bestellt in der Kantine „bitte einen Raider“.

  • IT

Im dazugehörigen Kapitel des von einem Juristen verfassten Integrationskonzeptes steht dann in einem lapidaren Satz: Kurzfristige Migration der kompletten Systemlandschaft von Linux auf Windows (oder umgekehrt). Die Realität zeigt, dass sowohl Dauer als auch tatsächliche Kosten für die IT-Migration meist mit einem Faktor Zwei gegenüber der Planung liegen.

Phrasen, die man in der gekauften Firma tunlichst vermeiden sollte: „Lieber Java-Entwickler. Ab sofort programmierst du bitte in PHP – das sollte für ein Ass wie Dich ja kein ernstzunehmendes Problem darstellen. Und übrigens: Es gibt nun eine elektronische Zeiterfassung – also bitte beim nächsten Mahjongg-Spielchen den Zeitausgleichabbau im System aktivieren.“

Alarmsignal: Wenn man eine Faktura erstellen will, muss zuvor eine Anforderungsanalyse und eine Aufwandsschätzung durch die IT durchgeführt werden. Wenn darin mehrmals das Wort „Mannjahre“ vorkommt -> dunkelrote Alarmampel.

  • Rechnungswesen und Buchführung

Andere Länder, andere Sitten. Das gilt im Besonderen auch für Buchhaltungen. Nicht nur die Rechtsvorschriften sind nicht überall dieselben – auch die Bilanzierungansätze (speziell bei Bewertungen und Abgrenzungen) sind oft in der Handschrift der handelnden Personen extrem unterschiedlich. Die Migration einer „kreativen“ Buchhaltung kann unter Umständen weitreichende Folgen haben, bis hin zu einer rückwirkenden Kaufpreismodifikation.

Auch die Budgetplanung und das zugehörige Controlling der beiden Unternehmen liegen oft Lichtjahre auseinander. Wer gewohnt ist, mit quartalsmäßig rollierenden Planungen zu arbeiten, tut sich erfahrungsgemäß bei fixen Jahresbudgets schwer.

Wenn der Kaufpreis dann auch noch aufgrund gegenwarts-ignorierender Zukunftsprognosen ermittelt wurde, ist die Frustration beim Käufer schnell sehr groß. Merke: Excel ist geduldig und fügsam, vor allem beim Erstellen von ehrgeizigen Businessplänen und Forecasts. Konservativ veranlagte Käufer tendieren daher eher in die Richtung fundierter Bewertungsansätze wie EBITDA-Multiple. An der Materie interessierten Lesern darf ich folgendes ausgezeichnetes Buch von Patrick Sinewe ans Herz legen.

Spannend ist dieses Themengebiet auch für den Verkäufer. Dieser bekommt ja nur in den seltensten Fällen gleich Bargeld auf die Hand – üblich sind eher cashless Aktientäusche mit Lockup-Perioden (Verkäufer bekommt Aktien, die er erst nach 5 Jahren zu Geld machen kann) oder langfristigen Earn-Out Regelungen (endgültiger Kaufpreis ist abhängig vom Umsatz, Ergebnis oder Ähnlichem der nächsten 3-5 Jahre)

Phrasen, die man in der gekauften Firma tunlichst vermeiden sollte: „Vielleicht wäre der Buchhaltungskurs I bei Humboldt eine Alternative?“

Alarmsignal: Das gekaufte Unternehmen berichtigt nachträglich bereits veröffentlichte Bilanzen nach unten.

Disclaimer: Sämtliche Beispiele von natürlichen oder juristischen Personen sind entweder verlinkt oder frei erfunden. Falls jemand sein eigenes Unternehmen in den fiktiven Alarmsignalen wiedererkennen sollte: Keine Panik, reiner Zufall. Der nächste Weg sollte nicht zum Anwalt, sondern zum Unternehmensberater des Vertrauens führen.

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